Artikel in der Ostthüringer Zeitung vom 10.02.2022
Jetzt geht’s um die Wurst: 2,80 Euro inklusive Brötchen! Wo kommt das her und wo führt das hin? Die Antwort geben die Fleischer.
Angesichts steigender Preise macht derzeit in den sozialen Netzwerken ein satirisch gemeinter Post die Runde: Die Tankstellen böten jetzt einen neuen Service an. Nach dem Volltanken stehe jetzt jedem ein Seelsorger zur Seite… Gar nicht mal so lustig fand es indes ein regelmäßiger Leser dieser Zeitung, als er in dieser Woche in Saalfeld happige 2,80 Euro für eine Thüringer Bratwurst mit Brötchen hinlegen musste – „30 Cent mehr als noch zwei Wochen zuvor“, wie er schreibt. Bei den Spritpreisen mag der Thüringer noch zähneknirschend mitgehen. Doch bei Thüringens Fast-Food-Heiligtum? Jetzt geht’s um die Wurst!
Das mit dem steigenden Preis „ist ein Kreislauf“
Bei der Saalfelder Metzgerei Mannheims heißt es, die Waren seien eben auch teuer geworden. Das kann Mitbewerber Sven Büchner nur bestätigen. Der Fleischermeister mit Filialen in Saalfeld und Rudolstadt betont „das logistische Problem“: Viele Zutaten der legendären Thüringer Bratwurst kämen von weither und die Spediteure legten ihre höheren Transportkosten natürlich auf ihre Kunden um. „Das ist ein Kreislauf“, meint Büchner.
Teurer im Einkauf würden auch die Zutaten der Wurst: Fleisch, Gewürze und auch der Schleiß, die Oberschicht des Schweinedarms, der der Bratwurst ihren Extrageschmack gibt, erzählt der Fleischer-Meister: „Eine originale Thüringer Bratwurst ist mit Schleiß hergestellt.“ Allerdings komme dieser Spezialdarm nicht aus Thüringen, aber immerhin von einem der zwei verbliebenen Hersteller in Deutschland und zwar aus der Nähe von Bayreuth. Allerdings sei der Preis pro Schleiß in den letzten drei Jahren um 40 Prozent gestiegen. „Das ist eine Ansage“, findet Büchner, der sich erinnern kann, die Thüringer zu DDR-Zeiten „zum 1. Mai“ auch schon mal „für eine Mark“ verkauft zu haben. In Euro sei ihm 1,30 als niedrigster Preis in Erinnerung.
„Die Tiere dürfen bei uns sogar ein Mal Geburtstag feiern“
Auch Sebastian und Dirk Lindig von der gleichnamigen Fleischerei begründen den Preis von 2,80 Euro für die auch bei Ihnen in der Oberen Straße in Saalfeld verkauften Bratwurst mit Brötchen mit den gestiegenen Einkaufspreisen. „Die Benzinpreise, die Brötchenpreise – alles wird teurer“, sagt Sebastian Lindig. Und: „Gutes Personal will nicht nur Mindestlohn.“ Dirk Lindig betont aber auch, dass die Lindig-Wurst schon deshalb nicht billig sein könne, da das dafür nötige Fleisch von glücklichen Tieren aus Freilandhaltung komme. „Die dürfen bei uns sogar ein Mal Geburtstag feiern.“ In der Massentierhaltung lebe das Schwein dagegen nur „fünf Monate und 14 Tage“. Dirk Lindig, der sich stolz „Fleisch-Sommelier“ nennen darf, behauptet: „Unsere Kundschaft weiß das und zahlt den Preis dafür gern.“
In der Landfleischerei Kleingeschwenda arbeiten insgesamt 48 Mitarbeiter und Prokurist Marko Müller bestätigt ebenfalls steigende Wurst- und Fleischpreise: „Alles wird teurer – Strom, Diesel, Personal.“ Die Tiere stammen aus eigener Haltung. „Wir setzen auf artgerechte Haltung“, heißt es auf der Homepage der Landfleischerei. Geschlachtet werden die Tiere in der Schlachterei in Cronach, verarbeitet werden sie jedoch in der Fleischerei in Kleingeschwenda, berichtet Müller. Seiner Ansicht nach werden sich die Preise alsbald nicht erholen: „Man kann es schon Inflation nennen.“
Eine Verkäuferin in Volkstedt: „Was wollen sie dagegen machen?“
Bei der Landfleischerei Dörnfeld in Volkstedt geht eine Verkäuferin ans Telefon, die zwar ihren Namen nicht nennen mag, die aber ansonsten nicht auf den Mund gefallen ist: „Alles wird teurer“, sagt sie und fragt: „Was wollen sie dagegen machen?“ Noch kürzlich habe die Bratwurst zwei Euro gekostet, jetzt seien es es schon 2,50 Euro. Auf die Entgegnung, dass sei immerhin noch etwas weniger als 2,80 Euro in Saalfeld, sagt sie nur lachend: „Aha!“ 45 Jahre lang sei sie nun schon Verkäuferin und könne aus ihrer Erfahrung heraus sagen: „So ist das Leben.“ Dass sie früher vom Monatslohn noch etwas übrig hatte, jetzt aber „von einem Monat zum anderen“ wirtschaften müsse, das ärgere sie allerdings auch.
Foto u. Text: Guido Berg/OTZ